Flow Driver

Zurück zu mir selbst

Ich wohne seit vier Tagen in San Francisco. In meinen kommenden Monaten hier möchte ich mich selbst neu erfahren. Ich möchte der Frau in mir, die mir wirklich guttut, etwas näher kommen – weil ich mich nach ihr sehne. Ich will mich nicht mehr zurückhalten. Ich wünsch’ mir, dass diese Zeit hier für mich ein echter Neuanfang wird … und mein erstes Experiment auf diesem Weg ist ein Orgasmic Meditation Retreat. Ich kann selbst noch nicht glauben, dass ich hier bin und den heutigen Abend mit völlig fremden Menschen verbringen und in ihrer Gegenwart eine spirituelle Art von Masturbation praktizieren werde. Mit einer Yogamatte und Duftöl ausgestattet und in ein dünnes Leinengewand gehüllt betrete ich den großen Raum, der das Herz des Gebäudes darstellt. Die letzten Sonnenstrahlen fallen durch das Glas der Decke und werfen Schatten und Lichtreflexionen durch den Raum und lassen alles etwas unwirklich und zugleich wunderschön aussehen: Wie im Paradies denke ich und breite meine Yogamatte auf dem Boden aus.

Das Orgasmic Meditation Retreat

Ein paar andere Teilnehmer*innen sind ebenfalls schon da. Ich nicke den anderen mit einem Lächeln zu, fühle mich sofort wohl und schließe einen Moment die Augen. In diesem Moment höre ich zwei warme, einladende Stimmen von der Mitte des Raumes zu mir dringen, die uns alle begrüßen und mit einem Lächeln dazu einladen, uns auf die heutige Erfahrung als ein offenes Experiment einzulassen. Ich öffne die Augen und sehe einen Mann und eine Frau in der Mitte des Raumes auf zwei Meditationskissen sitzen. Die Zwei laden uns dazu ein, uns zu erheben und uns ganz nach unserem Gefühl von der Musik durch den Raum leiten zu lassen. Es geht nur darum, unseren Körper zu fühlen. Langsam lasse ich mich durch den Raum treiben, spüre abwechselnd den weichen Stoff der Yogamatten und den warmen Holzboden unter meinen nackten Fußsohlen und merke, wie ich immer gelöster werde. In diesem Moment fühle ich mich zu Hause und völlig frei zugleich - hier und jetzt in meinem Körper.

Welt meiner Sinne

Wir werden eingeladen, wieder zu unseren Matten zurückzukehren und ein paar Tropfen unseres Duftöls auf unser Handgelenk zu geben. Ich tue es und inhaliere den Duft, bevor ich mich auf den Rücken sinken lassen, meine Augen schließe und eine Hand auf meinen Bauch lege. Ich spüre, wie ich mit jedem Atemzug ruhiger werde, während der hauchzarte Duft des Öls über mich strömt und mich noch etwas tiefer in die Welt meiner Sinne holt, raus aus meinen Gedanken. Die Stimmen unserer Kursleiter*innen erklären uns nun, dass wir zu Paaren zusammengeführt werden, die die orgasmische Erfahrung miteinander teilen werden. Dabei wird eine Person, die die ganze Übung über angekleidet bleibt, mit gespreizten Beinen hinter der anderen Person sitzen und für diese „den Raum halten“: Sie ist einfach nur da und konzentriert sich voll und ganz darauf, der Lust-empfangenden Person vor ihr, ein Gefühl von Sicherheit und Geborgen-Sein zu schenken. Ich halte die Augen geschlossen und warte ab, was als nächstes passiert. Jetzt spüre ich, wie jemand hinter mir Platz nimmt. Mir wird ein weiches Kissen unter den Kopf geschoben und im nächsten Moment spüre ich die Wärme des Körpers der Person hinter mir …

Verschmolzen

Den Raumgebenden Personen werden als nächstes die Augen verbunden, damit wir alle uns ganz auf unser Gefühl konzentrieren können und sich die Lust-Empfangenden nicht beobachtet fühlen, wenn sie sich im weiteren Verlauf des Retreats gehen lassen möchten. Jetzt laden die Kursleiter*innen uns ein, einander ein Versprechen für die gemeinsame Erfahrung als Paar in dieser Übung zu geben. Wir geben es uns. Die Person hinter mir hat eine angenehme Männerstimme. Ich empfinde plötzlich ein tiefes Vertrauen zu diesem Mann hinter mir und merke, dass ich kurz davor bin, es zu beurteilen, und es als etwas „Unechtes“ abzutun. Doch stattdessen entscheide ich mich bewusst gegen dieses alte Muster aus Angst und Zweifel und lasse dieses schöne neue Gefühl zu. Warm und angenehm schwer breitet es sich in mir aus und ich spüre, wie jede Anspannung von mir abfällt und ich noch etwas tiefer in das Kissen unter mir sinke. Ich spüre die Präsenz meines Partners ganz intensiv. Als wären wir zu einer Einheit verschmolzen und gleichzeitig bin ich voll und ganz bei mir.

Ich bin hier

Den Vorschlägen der Kursleiterinnen folgend lasse ich nun meine Hände langsam von meinen Handgelenken die Innenseiten meiner Arme hinauf zu meinen Schultern und in meinen Ausschnitt gleiten und spüre das Bedürfnis, meine nackte Haut direkt unter meinen Finger zu spüren. Ich höre, wie unsere Kursleiterinnen uns einladen, unsere Gewänder abzustreifen, wenn wir das möchten, und ich taste nach dem feinen Gürtel, der den Leinenstoff zusammenhält. Wie in Zeitlupe ziehe ich den weichen, dünnen Stoff ganz bewusst nach rechts und links zu den Seiten meines Körpers und spüre, wie sich dabei die feinen Härchen auf meiner Haut aufstellen. Ich lausche jetzt auch den Sätzen, die uns die Kursleiter*innen anbieten als Wertschätzung an uns selbst. Wann immer uns ein Satz zusagt, können wir ihn leise für uns wiederholen und seiner Wirkung in uns nachspüren. Meine Hände gleiten nun von meinen Schlüsselbeinen zwischen meinen Bürsten entlang über meinen Bauch bis zu meinem Bauchnabel und von dort langsam rechts und links zu meinen Schenkeln. Ich ziehe meine Beine leicht an und spreize meine Beine, um meine Finger bis zu meinen Kniekehlen gleiten lassen zu können. Ich darf mich voll und ganz auf mich konzentrieren – alles andere ist in diesem Moment unwichtig. Ich bin hier.

Erlaubnis meiner Lust

Ich erlaube mir, meine Lust zu spüren und lasse alle Gefühle von Scham, Angst und Zweifel los. Meine Hände wandern zu meinen Brüsten und legen sich um meine Rundungen, spüren die weiche Haut, meine sensiblen Brustwarzen … Ich bin einzigartig. In meinem Körper, … in meinem Geist, … in meiner Lust und in meinen Empfindungen. Und ich darf diese Einzigartigkeit genießen. Wieder nehme ich die Wärme meines Partners ganz deutlich wahr und atme tief ein, bevor ich meine Hände weiter über meinen Körper gleiten lasse, so zart und sensibel, als wäre er ein zerbrechliches Geschenk. Ich spüre, wie sich mein Puls beschleunigt, als ich meinen Atem meiner aufkommenden Lust in mir anpasse und schneller, aber trotzdem tief ein und ausatme. Ein feines Prickeln breitet sich in meinem gesamten Körper aus und ich lasse meine Hände im Rhythmus meines Atems über meine Haut gleiten … In Kreisen über meine Brüste, in Schlangenlinien meine Taille hinauf und hinunter, wieder über meine Schenkel und jetzt lasse ich meine Finger langsam zwischen sie gleiten.

Intuitive Streicheleinheit

Es passiert wie von selbst, vollkommen intuitiv. Ich lasse meine Finger sanft über meine Lustlippen streichen und spüre, wie sie darauf reagieren, wie sie förmlich zu vibrieren beginnen. Zum ersten Mal spüre ich so bewusst, wie weich und empfindsam sie sind. Noch nie habe ich sie so aufmerksam berührt, mit geschlossenen Augen, ganz auf das konzentriert, was ich fühle. Nicht abgelenkt davon, wie ich aussehen könnte, während ich das hier tue oder davon, was mein Gegenüber grade von mir denkt, während es mich ansieht. Niemand sieht mich an. Ich bin nur Gefühl … und das ist wunderschön! Ich lasse meine Finger jetzt langsam zwischen meinen Lustlippen entlang gleiten, fahre mit leichtem Druck über die dünne Linie zwischen meinen inneren Lustlippen. Ich spüre, wie meine Clit unter meinen Lippen zu pulsieren beginnt und streiche wieder und wieder über sie …, mal mit mehr, mal mit weniger Druck. Ich spüre die Hitze an meiner Fingerspitze ganz deutlich und genieße das Gefühl der Spannung, die sich in mir aufbaut. Ich folge den Worten der Kursleiter*innen und spanne meine Beckenbodenmuskulatur an und lasse wieder los, spanne sie wieder an und lasse sie wieder los – im Rhythmus meines Atems.

Vollkommen aufgelöst

Ich höre, wie auch andere im Raum tiefer und hörbarer atmen und lasse mich mehr und mehr gehen. Es fühlt sich so gut an: Meine Finger auf meinen Lippen, auf meinem Körper. Ganz sanft lasse ich meinen Finger jetzt zwischen meine Lustlippen tauchen, während ich mit den Fingern meiner anderen Hand weiter meine Lippen auf und ab Vollstreiche und das Gefühl in mir immer intensiver wird. Es fühlt sich an, wie ein feines Stromnetz, das immer mehr unter Spannung gerät – überall in meinem Körper von meinen Füßen bis in meine Fingerspitzen. Ich atme weiter tief ein und aus, während ich meine Beckenbodenmuskulatur immer wieder an- und entspanne und jetzt tauche ich meinen Finger endgültig tief zwischen meine Lustlippen und spüre, wie sie sich im Rhythmus um ihn zusammenziehen. Meine zweite Hand zieht jetzt sanfte, immer engere Ovale um meine Klitorisspitze. Ich spüre, wie meine Haut überall immer sensitiver auf das reagiert, was in mir passiert und ich spüre, wie mein Partner hinter mir meine Erregung spiegelt … er kann sie spüren, ohne mich zu berühren. Er ist dabei, während ich mich meiner Lust hingebe, die ich selbst aus mir heraus erschaffen habe. Ich schiebe meinen Finger noch etwas tiefer in mich, drücke ihn von innen leicht gegen meine Klitorisspitze und spüre, wie meine Lippen sich in immer kürzeren Abständen zusammenziehen. Intuitiv passt sich mein Atem ihrem Rhythmus an und ich spüre, wie ich so präsent im Hier und Jetzt bei meinen Sinnen bin, wie noch nie. Ich lasse die Augen geschlossen, bleibe ganz bei mir und … löse mich für ein paar Augenblicke vollkommen auf. Ich bin so dankbar dafür, dass ich hierhergekommen bin.